Es weht ein WindAus: Es weht ein Wind, 1956Es weht ein Wind in der Nacht, Wie aus weiter Ferne. Es weint ein Kind In der Nacht, Wie aus weiter Ferne. Und am Himmel blicken So traurig die Sterne, Als hätten unendliches Leid sie gesehn, Das Menschen durch Menschen Hier unten geschehn. Und dunkelste Trauer Umschattet die Seele; Denn die Stimme des Einen Ging unter im Sturme Der rasenden Zeit. Und hörst du? Von fernher Tönt es im Winde Wie Stimmen von Kindern, Die weinen, die weinen. Der BlütenschaumAus: Es weht ein Wind, 1956Am Walde rankt ein Blütenschaum, Streckt zarte, weisse Finger aus Und tropft in seinem stillen Traum Sich tausend Blüten vor sein Haus. Sieht nicht, wie aus des Waldes Höhle Die Nacht die Schauerhände regt Und in den Blütenkranz der Seele Den Schatten des Vergehens legt. Er blüht und blüht, und allgemach Erlischt er in der Stunden Flucht. Doch morgen bringt ihn tausendfach Zu neuem Blühen seine Frucht. SommerabendAus: Es weht ein Wind, 1956Eine goldne Sommerwolke Türmt sich an des Himmels Rand. Von der Kirche ruft die Glocke Abend, Abend in das Land. Unsichtbare Abendschiffe Fahren in das Tal hinein, Löschen ihre Fracht: die Stille Und des Tages letzten Schein. Gott geht nun mit leisem Tritte Durch die Welt und sät die Nacht, Friede folget seinem Schritte, Friede sei auch dir gebracht. Der grosse Kreis Nr. 8Aus: Der grosse Kreis, 1973Mensch Du wandelst Durch irdische Gärten Und trägst den gestirnten Himmel über dir Unendlich Fernen Ohne Anfang und Ende Unfassbare Lichterbotschaft Gewaltig Masslos Zeitlos Milliarden Welten Ewige Rätsel. Tag für TagAus: Tag für Tag, 1979Tag für Tag An der endlosen Schnur der Zeit Sich reiht Und du gehst auf schmalem Fuss Ihr entlang, Bald am blühenden Rosenhag Mit Gesang Bald am dumpf rauschenden Fluss Betrübt und bang, Vom beständigen Wellengang Gehoben Und wieder fallen gelassen, Und geschoben Durch des Schicksals enge Gassen. Mann unterm MondAus: Tag für Tag, 1979Ein Mann in dunklem Mantel schreitet Die Dämmerstrasse stumm hinan. Der Silbermond am Himmel reitet, Im nahen Hofe kräht ein Hahn. Der Mann geht tief gebeugt im Sinnen Und achtet sich des Reiters nicht. Er steht vor seinem Tagbeginnen, Und dunkel ist sein Angesicht. Nun bleibt er stehn, und auch der Reiter, Hält an in seinem leisen Trab. Und geht er, tanzt der Mond auch weiter Getreulich mit ihm auf und ab. Er tanzt gespenstisch ihm zur Seite In stiller Morgeneinsamkeit. Er gibt dem Erdenkind Geleite Und lacht und kennt kein irdisch Leid. | ![]() Otto Feier, Alpenblumen, Aquarell 1937 |
La guapa (Die Hübsche)veröffentlicht in:Der kleine Bund, Bern Samstag 1. März 1980 Aus offner Tür Tritt jetzt herfür Wie Lenzgewind Ein schönes Kind. Und aufrecht trägt Sie unentwegt Noch ohne Joch Ihr Köpfchen hoch. Im Ebenmass Erschimmert blass Der Wangen Paar Aus schwarzem Haar. Und wie aus Nacht Der Augen Macht Als helles Licht Nach aussen bricht. Und knospenjung Mit feinem Schwung Erblüht ihr Mund Auf rotem Grund. Wie eine Zier Erscheint sie hier Im Menschenbild Als schönstes Schild. Sie ist so reich Dass ihr sogleich Die ganze Welt Zu Füssen fällt. |
![]() Otto Feier, Barcelona, Putxet, Aquarell 1980 |